Das Rotbunte Husumer Schwein – ein persönliches Rasseportrait
Wer könnte besser über eine Tierrasse berichten, als jemand, der täglich mit diesen Tieren arbeitet? Wir haben Züchter gebeten, uns einen sunjektiven und persönlichen EInblick in das Wesen ihrer Rasse und die Arbeit mit den Tieren zu geben. Heute: Benjamin Janke über seine Husumer Rotbunten Schweine. Dieser Bericht dokumentiert die persönliche Wahrnehmung des Züchters dar und hat nicht den Anspruch ein allgemeingültiges und absolutes Bild der Rasse zu zeichnen.
Das Protestschwein
Das Rotbunte Husumer Schwein hat eine lange Geschichte, die es Wert ist, erzählt zu werden: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts standen die Herzogtümer Schleswig und Holstein unter Österreichisch-Preußischer Verwaltung. Damals war es der hier lebenden, zum Großteil dänischen Bevölkerung verboten, die dänischen Nationalfarben zu hissen. Aus den Aufzeichnungen der preußischen Soldaten geht hervor, dass die Einheimischen zu dieser Zeit vermehrt rot-weiß-rote Schweine in Ihren Vorgärten gehalten hätten. Geboren war die Legende des Husumer Protest-Schweins. Erst 1954 wurde das Herdbuch der in Norddeutschland sehr beliebten Rasse eröffnet. Jedoch waren die Husumer Schweine bereits zum Ende der 60er Jahre nahezu vollständig durch die modernen Hybrid-Rassen verdrängt, bis sie dann 1986 auf der Grünen Woche in Berlin wieder auftauchten.
Kräftiges Borstenkleid und Schappohren
Getragen von mehreren Zuchtvereinen, hat sich seitdem ein solider Bestand aus mehreren im Herdbuch geführten Zuchtlinien gebildet. Dennoch gilt die Rasse als sehr gefährdet. Die Rotbunten Husumer Schweine sind eine großrahmige und verhältnismäßig hochbeinige Rasse mit breiten Schultern und breitem, leicht gerundetem Rücken. Die Eber erreichen eine Schulterhöhe von über 90 cm bis zu 100 cm und ein Gewicht von 350 kg und mehr. Die Sauen liegen mit einer Schulterhöhe von ca. 85 cm und einem Gewicht von 250-300kg etwas darunter. Typisch für die Rasse ist das dichte, kräftige Borstenkleid in der charakteristischen orangeroten bis roten Färbung mit weißem Sattel und die großen Schlappohren, die meist bis über die Augen herabhängen.
Warum gerade Rotbunte Husumer?
Am Anfang war der Platz. Auf einer Weidefläche von 1,5 ha, die aus der Verpachtung frei wurde, haben wir uns überlegt, Weidetiere zur Selbstversorgung zu halten. Meine Frau hatte schon Ihre Hühner, also fiel meine Wahl auf die Schweine. Es folgte eine intensive Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt mit Festlegung und Überprüfung der zahlreichen Voraussetzungen. Freilandhaltung ist genehmigungspflichtig. Und dann die Suche nach der „richtigen“ Rasse. Wir haben uns belesen und uns beraten lassen, und besuchten den Nutztierpark Arche Warder zwischen Kiel und Neumünster. Dort schlug mein Herz sofort für die Husumer: große, stattliche Tiere, wunderschön mit breiten Schultern und dicken Borsten! Wie geschaffen für das Leben im Norden! Aber auch riesig und ein wenig furchteinflößend!
Wie soll man so große Tiere frei auf einer Wiese im Zaum halten? Im späten Frühjahr habe ich mir dann aus der Nähe von Lüneburg drei Husumer Geschwister-Ferkel geholt, zwei Sauen und einen klitzekleinen Borg. Man wuchs mit seinen Aufgaben, wie auch die Ferkel schnell groß geworden sind. Im Spätsommer kamen noch zwei Turopolje und zwei Duroc dazu, allesamt Sau-Ferkel. Von dieser bunten Truppe habe ich nur noch eine Husumer-Sau. Alle anderen wurden mit etwa einem Jahr geschlachtet. In so einer gemischten Gruppe zeigten sich deutlich die Unterschiede der einzelnen Rassen, und warum ich sie in dieser Form nicht wieder gemischt halten würde. Die Turopolje waren sehr gierig und verfressen, was sich später im Fettanteil zeigte. Die Durocs waren für das Leben im Freien nicht so gut geeignet wie die anderen. Im Winter froren sie oft und blieben in den Hütten. Außerdem war meine Duroc-Sau extrem zickig und aggressiv, wenn sie Ferkel hatte. Also blieb ich bei den Husumern. Heute habe ich drei Zuchtsauen, Rama, Alba und Kiwi und Oliver meinen Zuchteber. Ich züchte reinrassig im Herdbuch.
Schweine für die Freilandhaltung
Aus meiner Sicht sind die Rotbunten Husumer die ideale Rasse für die reine Freilandhaltung. Sie sind enorm robust und unempfindlich gegen Kälte und Hitze. Solange sie einen trockenen Platz zum Schlafen haben, kann ihnen keine Witterung etwas anhaben. Wir halten die Husumer ganzjährig im Freiland. Sie leben auf der Wiese in Gruppen nach Zuchtsauen und Eber, bzw. Mastschweinen getrennt. Jede Gruppe hat eine entsprechende Schlafhütte mit offenem Eingang. In diesen Hütten kommen auch die Ferkel zur Welt. Es gibt bei uns keine Ferkelschutzkörbe oder sonstige Fixierung, kein Rotlicht, keinen Ferkelschlupf. Die Verluste bei den lebend geborenen Ferkeln liegen in meiner Zucht bei 6,6%, das heißt, dass von 15 Ferkeln eines stirbt, und das meist in den ersten 7 Lebenstagen aufgrund von Verletzungen durch die Muttersau. Zum Vergleich liegt der Verlust bei der konventionellen Stallhaltung bei 12 bis 19% (Angabe des Züchters).
Ruhige und kontaktfreudige Tiere
Vom Wesen sind die Husumer sehr ruhig und gutmütig, neugierig und überaus kontaktfreudig. Stress scheint ihnen völlig fremd zu sein. Die Sauen sind fürsorgliche, fast aufopfernde Muttertiere, die die Ferkel bis zu 12 Wochen führen und säugen. Mich selbst beeindruckt bei meinen Tieren immer wieder diese tiefe innere Ruhe. Es ist nicht so, dass sie träge wären, ganz im Gegenteil. Aber auf mich wirken sie nie verunsichert oder schreckhaft, wie andere Tierarten. Wenn eins der Schweine schläft, dann schläft es! Dann könnte man drüber hinweg steigen oder sich dazu legen, trotzdem bleibt es schnarchend liegen. Die Rotbunten Husumer sind im Vergleich zu den industriellen Hybridrassen langsam wachsend. Die Futtergier ist gering ausgeprägt. Man könnte sagen, sie lassen sich Zeit beim Fressen, wodurch sie gute und genügsame Futterverwerter sind. Neben dem Grün- und Raufutter, dass sie durch Abweiden der Flächen zu sich nehmen, füttere ich eine Bio-Getreidemischung aus Gerste, Weizen, Erbsen und Ackerbohnen zu, dazu saisonal Äpfel, Birnen und Kartoffeln.
Feine Fett-Maserung im Fleisch
Geschlachtet werden die Masttiere frühestens mit einem Jahr. Dann haben sie ein Schlachtgewicht von 130 bis 150 Kilo. Durch die viele Bewegung und das ausgewogene Futter hat das Fleisch eine feine Maserung mit einem recht hohen Anteil an intramuskulärem Fett, bei feiner Faser und einem leicht nussigen Geschmack. Wir verwenden und vermarkten jeweils nur das ganze Tier. Das heißt, bei mir gibt es nur ein ganzes oder ein halbes Schwein zu kaufen mit Filet und Pfoten, mit Blutwurst und Holsteiner Katenschinken, mit Schmalz und Knochen.
Welche Herausforderungen bringt die Schweinezucht?
So beeindruckend und wundervoll meine Tiere sind, so anstrengend ist die immer wiederkehrende Konfrontation mit Vorurteilen und Unwissenheit, sowohl bei Laien als auch bei Fachleuten. Wahrscheinlich liegt es daran, dass bereits vor über 100 Jahren kaum noch Schweine auf Weiden gehalten wurden. Kleine Züchter wie mich gibt es kaum noch. Fast alles, was mit Schweinezucht oder der Mast zu tun hat, ist auf die industrielle Massenhaltung zugeschnitten. Das betrifft mehr Bereiche als ich anfangs dachte. Wir haben zum Beispiel lange gebraucht, einen Tierarzt zu finden, der sich traut, zu den Schweinen auf die Wiese zu gehen. Von vielen Seiten habe ich im Vorfeld gehört, dass man Schweine so nicht halten könne. Die würden zwangsweise nach wenigen Monaten an Lungenerkrankungen sterben. Man sagte mir, dass alle Ferkel durch die Sau erdrückt würden, wenn man sie nicht in einem Gitter, einem sogenannten Ferkelschutzkorb, fixiert. Und die wenigen überlebenden würden kümmerlich wachsen oder an Unterkühlung sterben.
Vorurteil: Nicht vermarktbare „Fettschweine“
Wenn ich heute berichte, dass all dies nicht eingetreten ist, dass selbst die November-Ferkel wachsen und gedeihen, werden meine Aussagen entweder angezweifelt oder als Ausnahme abgetan. Natürlich entmutigt uns das nicht, aber es ist schon mühsam. Ein weiteres großes Vorurteil bezieht sich auf das Fleisch. Die alten Schweinerassen werden von Mast- und Schlachtbetrieben oft pauschal als „Fettschweine“ abgewertet. Das Fleisch wäre nicht vermarktungsfähig. Niemand würde das essen wollen. Erstaunlicherweise kommen solche Behauptungen im Allgemeinen von Menschen, die wahrscheinlich niemals in den Genuss kamen, ein Husumer-Steak zu essen. Tatsächlich unterscheidet sich der Fettanteil von einem einjährigen Mastschwein von meiner Wiese kaum von dem eines Hybridschweins, es ist nur anders verteilt und schmecktmeiner Meinung nach besser. Hier im Norden, unweit der Ostsee, sind wir eine Rarität, eine Ausnahme von der Regel. An der Schweine-Wiese entlang verläuft ein Wanderweg. Viele Menschen bleiben am Zaun stehen, um die Tiere zu beobachten und ich werde nicht müde, alle Fragen zu dieser ausgewöhnlichen, wundervollen Rasse zu beantworten. Wer sieht heutzutage noch Schweine im Freien auf einer Wiese grasen? Für mich selbst sind die Schweine mein Ausgleich, mein Urlaub und mein Fitness-Studio gleichermaßen. Jeden Tag erstaunt mich das Verhalten der Tiere, und ich lerne immer wieder etwas Neues über diese überaus intelligenten Tiere.
Wie sieht es denn mit Wolf und Schweinepest aus?
Und wie kommt man an eine lebende Husumer Sau?