Von Yakiniku bis Sukiyaki: Die japanische Kunst der Rindfleischzubereitung
Als leidenschaftlicher Gourmet sollte man mindestens einmal in seinem Leben nach Japan reisen. Denn das Land zwischen Tradition und Moderne hat weit aus mehr zu bieten als nur Sushi. In der japanischen Küche steht der Eigengeschmack der einzelnen Zutaten im Fokus. Die natürlichen Aromen von Fisch, Fleisch und Gemüse sollen weder durch Gewürze noch andere prägnante Zutaten überlagert werden. Kurz gesagt: Purismus trifft auf Eleganz. Eine langjährige Tradition von der besonders ein edles Rindfleisch profitieren kann. Das hat unsere Neugier geweckt und wir wollten tiefer in die kulinarische Fleischkultur Japans eintauchen.
Dabei sind wir auf eine Fülle an Darreichungsformen gestoßen – von edlen Festtagsgerichten, bis hin zur typisch japanischen Hausmannskost. Doch eines haben alle gemeinsam: Rindfleisch wird nie als Alltagszutat betrachtet.
Japanische Esskultur – Wertschätzung für gute Produkte
In Japan wird jede Speise ganz bewusst genossen. Die Mahlzeiten werden langsam und mit Bedacht verspeist – fast schon zelebriert. Die wichtigste des ganzen Tages ist dabei das Abendessen. Besonders in größerer Runde nimmt man sich viel Zeit und drückt damit gegenüber den vielen verschiedenen, Teils aufwändig zubereiteten Speisen seine Anerkennung aus. Und dazu gehört auch die sorgfältige Auswahl der Zutaten. Besonders Saisonalität, Farben und das Zusammenspiel aller fünf Geschmacksrichtungen stehen dabei an erster Stelle.
Davon geprägt entstanden mit der Zeit die verschiedensten Gerichte und Zubereitungsmethoden. Eine Vielfalt die ganz klar von der langen Geschichte des Landes beeinflusst wurde. Selbst die puristischsten Rezepte überraschen dabei immer wieder mit einer gewissen Ästhetik und bestechen trotz der zurückhaltenden Würzung mit tiefen Aromen. Wir haben einmal die inzwischen weltweit bekanntesten Techniken für das kostbare japanische Rindfleisch genauer unter die Lupe genommen.
Yakiniku – Steak auf japanische Art
Im Japanischen steht der Oberbegriff Yaki für Grillen – abgeleitet aus der dort stark mit der Landeskultur verwurzelten Keramikherstellung, wo er so viel wie Gebranntes bedeutet. So lässt sich aus der Bezeichnung Yakiniku ein Synonym für Grillfleisch und aus Iriniku – Steak frei übersetzen. Die Zubereitungsart basiert hier auf einem Holzkohlegrill (auch als Shichirin bekannt) oder Gasgrill, der in der Mitte des Tisches als Hitzemedium genutzt wird. Jeder Gast bereitet seine bereits fachmännisch zugeschnittenen, rohen Stücke vom Karree, der Rinderschulter und kurze, bereits ausgelöste Rippenstücke darauf selbst zu. Zusätzlich steht noch eine Auswahl an Gemüse und vereinzelt Innereien wie Rinderzunge, Kutteln, Leber und Teile vom Zwerchfell parat.
Teppanyaki – Grillen am Tisch in geselliger Runde
Als Teppan wird die Eisenplatte bezeichnet, die üblicherweise in der Mitte des Tisches oder an der Theke integriert ist. In japanischen Privathaushalten wird in der Regel eine portable Heizplatte genutzt. Die alte Zubereitungstechnik kam erstmals in Spanien zum Einsatz und wurde durch erst durch die Seefahrt nach Japan gebracht und dort von den Köchen adaptiert.
Neben den traditionellen Speisen wie Yakisoba (gebratene Buchweizennudeln) und Okonomiyaki (ein herzhafter Pfannkuchen) bereitet man auf der Teppan-Platte auch dünne Tranchen vom Rindfleisch zu. Im Restaurant übernimmt diesen Part entweder der Koch, während er für Touristen auch gern einmal eine Showeinlage mit den Spateln einlegt, oder man traut sich ähnlich wie beim Shabu Shabu selbst an die Zubereitung der einzelnen Komponenten auf dem heißen Metall. In der Regel findet man sich für einen Teppanyaki-Abend als Gruppe zusammen und genießt das zwanglose Grillvergnügen in unterhaltsamer Runde.
Teriyaki – Glanzbraten im Wok
Für die meisten eher bekannt als Würzsauce ist Teriyaki im Grunde eine spezielle Zubereitungsart von Fisch- und Fleischgerichten. Das Fleisch wird dabei vor dem Braten im Wok mit einer zuckerhaltigen Mischung aus Sojasauce und Sake mariniert. Durch den Einsatz des Woks ist kaum zusätzliches Öl nötig und ein zartes, in dünne Streifen geschnittenes Rinderfilet kann bei starker, gleichmäßiger Hitze blitzschnell karamellisieren, ohne auszutrocknen. Dabei entsteht der charakteristische Glanz.
Yakitori – schnelle Grillspieße to Go
Zu den eher einfachen japanischen Klassikern gehören die Yakitori-Spieße. Meist werden hierfür die sogenannten Kushi – Spieße aus Holz oder Bambus verwendet. Besonders auf den berühmten Volksfesten und an Straßenständen findet man sie überall. Wobei Yakitori in Japan eine ähnliche Bedeutung wie Grillhähnchen hat. Wie der Name schon ahnen lässt, wurden sie traditionell zunächst nur mit Fleisch und Innereien vom Huhn zubereitet. Inzwischen ist der Begriff aber allumfassend für kleine gegrillte Spieße und es finden sich auch viele vegetarische und sogar Versionen mit Rindfleisch davon. Denn die Zubereitung der kleinen, aufgespießten Fleischstücke über Holzkohle ist ideal für alle Teile vom Rind die sich zum Kurzbraten eignen.
Sukiyaki – raffinierter Eintopf mit Geschichte
Das üppige Eintopfgericht wurde zu seiner Entstehungszeit heimlich auf den Reisfeldern über offenem Feuer gekocht, da die Zubereitung von Rindfleisch zu Hause als moralisch verwerflich angesehen wurde. Um sich trotzdem für die harte Knochenarbeit zu stärken, entstand die Idee für den reichhaltigen Eintopf. Neben Tofu, Pilzen, Kohl und Glas- oder Shiratakinudeln, kommt auch hauchdünn geschnittenes Rindfleisch zum Einsatz. Die einzelnen Zutaten können dabei je nach Saison beliebig variiert werden. Alle Komponenten werden in einem Sud aus Wasser, Zucker, Sojasauce, Sake und Mirin geköchelt und anschließend in der Mitte des Tisches serviert. Jeder Gast bedient sich und taucht die entnommenen Stücke noch final in rohes, verquirltes Ei.
Die althergebrachte Spezialität bedeutet im Volksmund „auf dem Pflug Gebratenes“. Da man sich Anfangs mit Pflug und Schaufel in Ermangelung von Topf oder Pfanne behalf. Inzwischen gibt es sogar typische gusseiserne Sukiyakipfannen, die sich durch ihre flache, abgerundete Form und zwei Henkel von herkömmlichen Bratpfannen unterscheiden.
Gyūdon – die japanische Antwort auf Fast Food
Ein Gericht wie es schlichter nicht sein könnte. Im Japanischen bedeutet Gyū so viel wie Rind und Don steht für die traditionelle Schale Reis, auch als Donburi bekannt, die bei keinem Essen fehlen darf. Während in den westlichen Ländern eher Burger, Pommes und Co. als Fast-Food-Klassiker gelten, hat sich die Konkurrenz in Japan unter anderem auf dieses Gericht spezialisiert. In der Regel wird eine einfache Rinderroulade in mundgerechte Stücke geschnitten und zusammen mit Zwiebeln und einer milden, leicht süßen Flüssigkeit auf Basis von Sojasauce gekocht. Im Anschluss serviert man sie dann mit dem typischen eingelegten Ingwer und Reis.
Shabu Shabu – Fondue in Japan
Eine puristische Version des Fondue wie wir es kennen – basierend auf einer Dashi-Brühe werden hauchzarte Scheiben Rindfleisch gemeinsam mit diversem saisonalen Gemüse und Pilzen langsam im sogenannten Feuertopf gegart. Ein gesundes Pendant zu dem uns bekannten Käse- oder Fettfondue. Mit jedem Eintauchen der verschiedenen Zutaten wird die Brühe weiter aromatisiert und von Minute zu Minute kräftiger. Am Ende dient sie als würzige Grundlage für Nudeln, um im großen Finale des Abends als Suppe verzehrt zu werden.
Warum ist der Fleischkonsum in Japan so gering?
Die japanische Kochkunst wird vor allem von Reis und Fisch dominiert. Aber auch Rindfleisch hat dort inzwischen einen festen Platz auf dem Speiseplan. Während es in Europa ganz alltäglich verspeist wird, hat es für die Japaner einen gesonderten Stellenwert. Denn den Einwohnern war es über 1000 Jahre aus religiösen Gründen verboten, Tiere zu schlachten und ihr Fleisch zu essen. Mit einer Ausnahme: Fisch und Meeresfrüchte. Einzig und allein Soldaten durften im Krieg mit dem damals raren Fleisch versorgt werden. Was neben der nur kleinen Tierpopulation vermutlich der eigentliche Grund für das auferlegte Fleischverbot für die herkömmliche Bevölkerung war. Das Resultat daraus: die japanische Küche gilt bis heute als eher fleischarm und Rindfleischrezepte zählen nach wie vor nicht zu den alltäglichen Speisen.
Besonders Rinder werden nach wie vor als heilige Lebewesen angesehen. Sie wurden damals lediglich als Zugtiere genutzt und selbst der Verzehr von Milch war ein absolutes Tabu. Zwar ist die Zucht und Schlachtung der japanischen Hausrinder inzwischen in weiten Teilen des Landes verbreitet, aber der Fleischkonsum hält sich im Vergleich mit westlichen Ländern nach wie vor in Grenzen. Rindfleisch gilt in Japan nach wie vor als sehr exklusive Zutat, was sich auch im Preis widerspiegelt.
Autorin – Isabella Wenzel