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Laborfleisch – das neue Fleisch der Zukunft?

Laborfleisch – das neue Fleisch der Zukunft?

Es gibt kein Fleisch ohne die Aufzucht, Fütterung und letztlich auch das Schlachten von Tieren. Dieses Bewusstsein sollte jeder Fleischesser stets in sich tragen. Doch was wäre, wenn es auch anders ginge? Ohne das Züchten, Mästen und Töten von Lebewesen? Mit dieser moralischen Frage beschäftigen sich derzeit rund 70 Unternehmen auf der ganzen Welt. Eine verschwindend geringe Zahl verglichen mit der präpotenten Fleischindustrie. Zudem steckt die fleischlose Fleischproduktion noch tief in den Kinderschuhen. Aber zeitgleich gerät der unaufhörliche Fleischgenuss zunehmend in Verruf. Darum haben wir uns gefragt, wie die Zukunft von Laborfleisch aussehen könnte. Bietet diese Option wirklich eine ernstzunehmende Alternative für unseren täglichen Fleischgenuss?

Aus welcher Motivation heraus ist das künstliche Fleisch entstanden?

Fleisch ist aus den verschiedensten Gründen auf der ganzen Welt beliebt. Doch ein übermäßiger Konsum schadet nicht nur unserer Gesundheit, sondern auch der Umwelt. Dabei ist die globale Entwaldung für Sojaplantagen und andere Futtermittel nur eines von vielen Stichwörtern. Denn die Fleischproduktion im großen Stil benötigt viel Fläche, Wasser und Energie. Dabei setzt sie gleichzeitig ein hohes Maß an Treibhausgasen frei. Laut der UN-Ernährungsorganisation FAO ist die weltweite Landwirtschaft für insgesamt 13% des globalen Treibhausausstoßes schuldtragend. Davon stammen schon allein zwei Drittel aus der Nutztierzucht.

Seinen Verbrauch entsprechend zu reduzieren und auf eine gewisse Qualität und Herkunft der Fleischprodukte zu achten, ist eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken. Ein völliger Verzicht auf Fleisch die andere Variante. Doch einige Forscher und Unternehmen arbeiten bereits seit vielen Jahren an einem Mittelweg. So ist das schon längst nicht mehr unbekannte Konzept des Laborfleisch entstanden. Allerdings hinterlässt der Gedanke an künstlich erzeugtes Fleisch aus einer Petrischale bei vielen Menschen einen seltsamen Beigeschmack. Auch wenn es eine womöglich ethisch vertretbare Option bietet.

Denn dabei könnte mit dem Wechsel vom Schlachthof zur Anzucht im Labor, rund ein Drittel der weltweiten Nutzfläche für die Viehfutterherstellung eingespart werden. So könnte (vorausgesetzt es gelingt die Laborfleischproduktion nach oben zu skalieren) ein moderater Ersatz für Millionen von Nutztieren entstehen. Was eine erhebliche Entlastung für die Umwelt und völlig neue wirtschaftliche Möglichkeiten zur Folge hätte. Doch wie realistisch ist die Idee, die Weltbevölkerung von der herkömmlichen Fleischeslust auf den Geschmack von kultiviertem Fleisch zu bringen?

Cultured Meat – Entwicklung im Überblick

Der Grundgedanke diese Art der Stammzellentechnologie zur Produktion von Muskelzellen zu verwenden entsprang aus einem medizinischen Kontext. Die Technik wurde ursprünglich entwickelt und genauer erforscht, um künstliche Organe zu Transplantationszwecken herzustellen. So wäre man im Falle eines schweren Krankheitsverlaufs oder Unfalls nicht mehr auf körperfremde Spenderorgane angewiesen. Stattdessen könnten dem Patienten eigene Stammzellen des betroffenen Organs entnommen werden, um im Labor daraus ein neues zu züchten. Die Hoffnung – es würde zu weniger Abstoßungsreaktionen bei der Transplantation kommen und die schier endlosen Wartelisten auf Spenderorgane könnten minimiert werden.

Problemlösung

Mit dem stetig steigendem globalen Fleischkonsum wurde auch die Grundsatzdiskussion immer hitziger. Denn Fleisch ist keine nachhaltige Ressource. Und in Anbetracht seiner Energiebilanz avanciert es auch mehr und mehr zu einem hochaktuellen politischen Thema. So begann die Forschung sich mit der Entwicklung des unblutigen Fleisches auf Basis der Stammzellen auseinander zu setzen. Schnell bildeten sich in den USA und Israel erste Forschungszentren, die von millionenschweren Investoren Unterstützung erhielten. Darunter prominente Namen wie Bill Gates, aber auch namenhafte Mitglieder der Fleischindustrie selbst.

Nach den ersten erfolgreichen Baby-Steps in Form von synthetischen Chicken-Nuggets und Laborhackfleisch, welches inzwischen mehrfach in Form von Burger-Patties präsentiert werden konnte, gilt es nun neue Hürden zu erklimmen. Aktuell arbeiten die Labore daran, das umstrittene Nährmedium auf Basis von Kälberembryonen durch eine pflanzliche Basis zu ersetzen.

Marktreife

Die letzte große Hürde, die es zu nehmen gilt, wird eine Zulassung auf dem Weltmarkt sein. Bislang hat nur der Stadtstaat Singapur eine gültige Zulassung für Hähnchenfleisch auf Zellkulturbasis erteilt. Bei diesem Produkt handelte es sich zudem um einen Hybriden, welcher bislang mit größeren Mengen pflanzlicher Anteile gestreckt werden musste. Auf dem europäischen Markt fallen sämtliche aus Zell- und Gewebekulturen erzeugten Lebensmittel unter die sogenannte Novel-Food-Verordnung. Diese sieht eine Reihe zahlreicher Tests vor und prüft ob die Produkte für den menschlichen Verzehr unbedenklich sind. Bislang hatte noch kein europäisches Unternehmen eine derartige Zulassung beantragt – erste Einreichungen waren jedoch für 2022 geplant. Darum lautet eine der großen Fragen unserer Zeit: Wann finden die ersten Produkte für den Endverbraucher ihren Weg in die Supermarktregale? Trotz der technologischen Durchbrüche der vergangenen Jahre kann es noch dauern, bis der klassische Fleischkonsum vom vermeintlich unblutigen Fleisch aus der Petrischale ersetzt werden kann.

Welches Potential steckt im Laborfleisch?

Die Debatte um tierlosen Fleischgenuss braucht eine gesunde Portion Realismus. Denn um darüber zu philosophieren ob das kultivierte Fleisch der bisherigen Fleischindustrie ernsthaft Konkurrenz machen kann, ist es am heutigen Tag definitiv noch zu früh. Doch wird es (sobald die Entwicklung so weit ist) überhaupt eine reelle Chance auf dem freien Markt haben? Fakt ist, nach derzeitigem Stand gibt es noch große Unterschiede zu herkömmlich produziertem Fleisch. Neben dem bislang riesigen Preisunterschied, spielt für die Endverbraucher zu Hause aber vor allem der Geschmack eine entscheidende Schlüsselrolle für die Zukunftsprognose.

Aber wie kann man sich den Geschmack von kultiviertem Fleisch vorstellen? Aufgrund der bisherigen Herstellung fehlt es dem synthetisch erzeugten Fleisch bislang am charakteristischen Eigengeschmack. Fleischliebhaber wissen, dass dieser vor allem durch die Rasse des Schlachttieres, Reifung, aber auch das Futter, die Haltungsform und andere äußere Faktoren unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Oberstes Ziel ist natürlich, dem altbekannten Fleischgeschmack so nah wie möglich zu kommen. Durch den fehlenden Fleischsaft (der gewissermaßen durch die Nährlösung imitiert werden soll) gibt es hier durchaus noch geschmackliche Defizite. Kurzum – dem Laborfleisch mangelt es an Blut, oder genauer gesagt an Myoglobin. Über den Mythos vom blutigen Fleisch haben wir bereits in diesem kompakten Artikel aufgeklärt.

Eine weitere Hürde auf dem Weg zum Marktführer ist die Zielgruppe. Die Nachfrage nach Fleischalternativen ist derzeit enorm. Und auch das Fleisch aus dem Labor verfolgt den Grundgedanken das Tierleiden zu verhindern, dennoch gehören Vegetarier und Veganer nicht zum Publikum, dass mit dem Produkt angesprochen werden soll. Denn auch Laborfleisch ist echtes Fleisch. Im Fokus der Hersteller stehen darum Fleischesser, die zwar konsumieren möchten, aber bitte mit möglichst gutem Gewissen. Genau diesen Konsumentenpool gilt es von dem synthetischen Fleisch zu überzeugen, um die Evolution des Fleischkonsums zu verwirklichen.

Wie wird das künstliche Fleisch hergestellt?

Das schlachtfreie Laborfleisch ist im Gegensatz zu den bereits weit verbreiteten pflanzlichen Fleischalternativen nicht vegan oder vegetarisch. Es wird zwar synthetisch hergestellt, besteht aber aus lebendigen Gewebezüchtungen. Für diese muss kein Tier geschlachtet werden. Allerdings benötigt man isolierte Stammzellen eines vorzugsweise lebendigen Tieres als Basis. Dieses Verfahren bezeichnet man als Tissue Engineering. Denn es muss zunächst Muskelgewebe entnommen werden, um die Zellen extrahieren zu können. Eine solche Gewebeprobe kann entweder bei einem Stück Frischfleisch nach der Schlachtung oder durch eine Biopsie an einem lebenden Wesen entnommen werden. Diese Proben werden im Anschluss in einer Petrischale kultiviert, damit eine Zelllinie erzeugt werden kann. Um dann die entnommenen Zellkulturen am Leben zu halten und vor allem wachsen zu lassen, benötigt man eine Nährlösung. Dieses Serum wird bislang aus dem Blut von Kälberföten gewonnen. Es enthält die erforderlichen Anreize und alle notwendigen Nährstoffe, um das Zellwachstum anzuregen.

Die gesamte Wachstumsphase des Muskelgewebes findet in einem sogenannten Bioreaktor (einem sterilen, geschlossenem Gefäß) statt. Dieser sorgt für eine genau kontrollierbare und sterile Umgebung. Ist erst einmal eine ausreichende Menge an Muskel- und Fettzellen entstanden, können diese beliebig zu Lebensmitteln wie Hackfleischprodukten oder Würstchen weiterverarbeitet werden. Wesentlich schwieriger gestaltet sich allerdings die Herstellung von intakten Fleischstücken wie Filet oder Steak. Diese erfordern eine wesentlich komplexere Gewebestruktur. Es müssen mehrere verschiedene Gewebetypen auf sehr spezielle Art stabil miteinander verbunden werden. Dieser Faktor stellt die Wissenschaftler bislang vor neue technische Herausforderungen. Doch in der Theorie wäre auch diese Verwirklichung irgendwann einmal denkbar.

Zum direkten Vergleich der Herstellung von Fleischprodukten aus der Retorte, haben wir noch einen Überblick zum Ablauf in einem herkömmlichen Schlachthof parat.

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Unternehmensbeispiele im Vergleich

Diese Firmen sind derzeit Marktführer im Bereich Cultivated Meat und treiben die Entwicklung in der Szene stetig voran. Sie arbeiten intensiv am Aufbau und der technischen Weiterentwicklung von Pilotanlagen, mit denen die Produktion von Laborfleisch massentauglich werden soll. Die wichtigsten Infos über sie haben wir in drei kurzen Steckbriefen für euch zusammengefasst.

Eat Just

Der offizielle Startschuss für das Startup Eat Just fiel bereits im Jahr 2011 – damals noch unter dem Namen Hampton Creek, mit der Idee ein veganes Rührei auf den weltweiten Markt zu bringen. Einige Jahre später im Sommer 2017 verlagerte sich der Unternehmensfokus dann auf die Entwicklung von In-Vitro-Hähnchenfleisch auf zellulärer Basis. Letztlich gelang ihnen in Singapur der Durchbruch mit ihren ersten Chicken Nuggets gewonnen aus Stammzellen.

Mosa Meat

Die Hightech-Pioniere von Mosa Meat aus Maastrich (Niederlande) konnten bereits im Jahr 2013 den weltweit ersten Burger aus Kulturfleisch auf einer Pressekonferenz in London vorstellen. Die damaligen Produktionskosten lagen noch bei 330.000$ – alles andere als bezahlbar für den Endverbraucher. Ziel ist ein bezahlbares Produkt mit einer Marge von 10-12$.

Memphis Meats (2021 umbenannt in Upside Foods)

Das 2015 gegründete Unternehmen Upside Foods mit Sitz im Silicon-Valley gehört zu den Spitzenreitern auf dem Markt für zellkultiviertes Fleisch. Die ersten Fortschritte gelangen dem Startup bereits 2016 mit ihren ersten Retorten-Fleischbällchen. Im nächsten Jahr folgten bereits Versuche mit Hähnchenfilet. Mit diesem soll künftig auch das erste kommerzielle Clean Meat Produkt für den Endverbraucher seine Marktreife erlangen.

Super Meat

Ein weiterer großer Player im Rennen ums Laborfleisch ist das isrealische Unternehmen SuperMeat. In Kooperation mit dem Geflügelproduzenten Migros möchte das Foodtech-Unternehmen in den nächsten Jahren seine Expansionspläne mit dem Schwerpunkt Geflügel aus dem Labor umsetzen. Dabei setzt es vor allem auf erneuerbare Energiequellen und schreibt Transparenz groß. Denn in der Firmeneigenen Testküche kann man in einem Konzept aus Restaurant und gläsernem Labor den Weg des synthetischen Hähnchenfleisch direkt von der Erzeugung bis auf den Teller live mitverfolgen. Mit dieser innovativen Idee gehören sie zu den Vorreitern ihrer Branche.

Kritik am kultivierten Fleisch

Die Stimmen, welche die Produktion von In-Vitro-Fleisch in Frage stellen sind laut. Denn es mangelt an einer transparenten Kennzeichnung für das Laborfleisch. Zudem werden für die Herstellung immer noch im weitesten Sinne Tiere in Form von Kälberföten getötet, um an das Nährmedium für die Aufzucht der Zellen zu gelangen. Vor allem dieser Faktor bekräftigt die ohnehin schon skeptischen Kritiker. So kam auch der böse Spitzname des Zombiefleisches in Umlauf.

Und es gibt in dieser frühen Entwicklungsphase noch keine fundierten Berichte darüber, ob die Herstellung im Vergleich zur bisherigen Fleischproduktion wesentlich ressourcensparender sein wird. Denn es fehlen aufgrund des Entwicklungsstandes noch verlässliche Langzeitstudien, welche die Umweltauswirkungen prognostizieren können.

Wir haben versucht einmal das bisherige Für und Wider übersichtlich zusammen zu fassen.

Vorteile

  • lückenlos kontrollierbare Herkunft
  • bessere Lebensmittelsicherheit in Form von Hygienestandards und keinen Verunreinigungen durch sterile Fabrikumgebung
  • vollständiger Verzicht auf Antibiotika möglich
  • geringeres Risiko für Zoonose-Krankheiten durch Reduzierung landwirtschaftlicher Zucht- und Schlachtbetriebe
  • geringere Nutztierpopulation um die Umwelt zu entlasten (landwirtschaftliche Emissionen senken)
  • bessere Energiebilanz gegenüber herkömmlicher Fleischproduktion aufgrund geringerer Ressourcen bei der Herstellung erwartet

Nachteile

  • derzeit astronomisch hohe Produktionskosten
  • jahrzehntelange Entwicklungszeit bis zur allgemeinen Marktreife
  • komplexere Gewebeentwicklungen mit hohem Aufwand + weiteren Kosten verbunden
  • Integration als globales Nahrungsmittel eher schwierig – langwieriger Prozess über viele Generationen
  • Geschmackserlebnis im Vergleich zum Original
  • noch keine Zulassung für die EU

Unser Fazit – nach heutigem Stand ist es noch etwas zu früh um dieses neuartige Lebensmittel als hundertprozentige Alternative für den herkömmlichen Fleischverzehr anzusehen. So bleibt es noch ein langer Weg, bis wir ein bezahlbares In-Vitro-Steak aus dem Supermarkt in den Händen halten können. Aber es steckt durchaus Potential in der Idee. Denn wir alle müssen auf lange Sicht unser Mindset überdenken und uns näher mit der Thematik eines möglichst nachhaltigen Konsums auseinandersetzen. Denn für die Zukunft ist Laborfleisch wohl immer noch realistischer als ein strikter Fleischverzicht für die Weltbevölkerung.

 

Autorin – Isabella Wenzel

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